Tischlermeister und Produktdesigner Jonas Winkler bei der Auswahl des passenden Stichsägeblattes

Macher mit Stil

Interview mit dem YouTuber Jonas Winkler

Ist ein eigener Social Media Kanal im Handwerk mittlerweile Pflicht? Wieviel Sinn für Design braucht ein moderner Schreiner? Wie sieht die Zukunft des Schreinerhandwerks aus? Diese und viele weitere Fragen beantwortet einer der es wissen muss: Jonas Winkler ist nicht nur einer der sympathischsten, sondern auch einer der erfolgreichsten deutschen Handwerker auf YouTube. Mit seinen kreativen und anspruchsvollen Projekten begeistert er mittlerweile knapp 220.000 Abonnenten auf seinem YouTube Kanal.
Jonas, Du hast aus Deinem Namen eine Marke gemacht. Wie schafft man das? Und wie wird man mit einem Kanal so erfolgreich? 

Ich glaube, wir machen einfach viel anders, unser Ansatz ist es niemandem etwas vorzuschreiben, sondern eher viele Wege aufzuzeigen und das selbstständige Denken zu fördern. Wir wollen Spaß am Machen erzeugen.

Wie und wann bist Du auf die Idee gekommen, auf Social Media aktiv zu werden? 


Als ich meinen ersten Designpreis gewonnen und den Prozess teilweise bei Instagram geteilt habe, ist mir klar geworden, dass da doch größeres Interesse besteht. YouTube war dann eine logische Folgerung, meinen eigenen Weg für andere einfacherer nachvollziehbar zu machen das Ziel. Denn auch für mich war YouTube stets eine Quelle der Inspiration - jetzt kann ich das mit meinem Background zurückgeben.
Jonas Winkler bearbeitet eine Leiste mit der Japansäge
Deine Projekte zeichnen sich durch gutes Design, Detailverliebtheit und Kreativität aus. Wie kommst du auf immer neue Ideen? Woher nimmst Du Deine Inspiration?

Das ist gar nicht so leicht zu beantworten — ich glaube, der Trick liegt in mehreren Punkten. Erstens: Ich liebe was ich tue. Zweitens: Ich probiere gerne neue Techniken aus — mache also dasselbe nur anders. Drittens: Ich schaue nicht was andere machen, sondern konzentriere mich auf mich.

Ein zentraler Aspekt Deiner Projekte ist das Design. Wie viel Sinn für Design braucht ein moderner Schreiner? Wie viel Designer und wie viel Schreiner steckt in Jonas Winkler?

Ich glaube, in der heutigen Zeit ist es unmöglich ernsthaft erfolgreich zu sein, wenn man keinen Sinn für Ästhetik und Formen hat — dafür ist die Industrie einfach zu gut geworden. Ich denke, dass ein sehr großer Teil meiner Arbeit durch mein Verständnis von Schönheit geprägt ist. Die Umsetzung kann dabei nicht nur Mittel zum Zweck, sondern auch eine tolle Geheimwaffe sein. So wie bei Kumikos* und anderen außergewöhnlichen Verbindungen.


*Anm.d.Red.: Kumiko ist eine japanische Technik zum Zusammenbauen von Holzteilen ohne die Verwendung von Nägeln
Tischlermeister Jonas Winkler setzt die zugeschnittenen Holzleisten zu einem Muster zusammen

„Das Handwerk braucht junge Leute mit verrückten und anderen Ideen.“

Jonas Winkler, Produktdesigner und Tischlermeister

Was unterscheidet Deine Arbeitsweise von der eines klassischen Schreiners?

Im Prinzip nichts. Der einzige große Unterschied ist, dass ich seitdem ich mit Holz arbeite, nur Aufträge mache, die ich spannend finde. Das ist einfach mein Ansatz an diesen Beruf, denn ohne Herzblut kann ein Möbel aus Holz nicht wirklich spannend werden.

Wenn Du ab morgen nur noch mit zwei Werkzeugen arbeiten dürftest – welche wären das?

Werkzeuge oder Maschinen? Bei Werkzeugen: Japansäge und Stemmeisen. Bei Maschinen: Abrichte und die Tauchsäge TS 55.

Wer unterstützt Dich bei Deiner Arbeit? Filmst Du alles selbst oder hast Du ein Team?

Wir haben mittlerweile drei Angestellte und eröffnen im März die zweite Tischlerei, um die kommerzielle Arbeit von der YouTube Arbeit zu trennen. Wir wachsen stetig, wobei der Fokus stets darauf liegt, ein starkes Team zu haben, in dem jeder für seinen Bereich Profi ist. Deshalb filmt und schneidet jeweils ein eigener Mitarbeiter unsere Filme.
Die TSC 55 K von Festool im Einsatz
Auf Deinem Kanal finden sich neben Projekten und auch viele hilfreiche Tipps – woher nimmst Du die Ideen? Woher weißt Du, was Deine Zielgruppe interessiert?

Wenn mir ein Trend begegnet, frage ich mich meistens erst einmal: „Was würde ich dazu sagen?" Im Prinzip ist damit schon die Idee für ein neues Video entstanden, denn im Format „Jonas reagiert…“ kommentiere ich die Inhalte anderer Kanäle aus meiner Sicht. So zeige ich im Hack Check beispielsweise meine Reaktion auf Tipps und Tricks fürs Handwerk, die gerade im Trend liegen.

Wie sieht Deiner Meinung nach die Arbeit der Schreinerin der Zukunft aus?

Das ist schwierig. Je nachdem wie sich die Welt entwickelt, sehe ich da viele Probleme und Herausforderungen. Zumal auch die Industrie einfach immer präziser, schneller und individueller wird. Aber ich glaube, der wichtigste Punkt ist Spezialisierung! Wer schwer zu ersetzen ist, hat immer einen besseren Standpunkt.

Was unterscheidet die jüngeren Generationen von den alten Hasen im Geschäft?

Der offene Verstand. Es gibt viele ältere Handwerker, die einfach cool sind und wissen, dass sich unser Handwerk verändert. Aber viele - leider in wichtigen Positionen sitzende - Handwerker sind leider wirklich ganz schrecklich stehengeblieben. Das ist aus meiner Sicht mit einer der größten Gründe, warum der Wandel im Handwerk nicht gelingt und der Nachwuchs ausbleibt. Wir brauchen junge Leute mit verrückten und anderen Ideen.
Welche Rolle spielt Social Media Deiner Meinung nach im Handwerk? Ist es für junge Handwerker mittlerweile Pflicht, einen eigenen Kanal zu haben, um erfolgreich zu sein?

Es ist eigentlich ein Must-have! Die Möglichkeiten sind nahezu endlos, man muss sich nur trauen, seinen Platz zu finden.

Wie viel Prozent Deiner täglichen Arbeit fließen dort ein? Bleibt da noch Zeit für normale Aufträge?

Zeitmanagement ist alles! Und eine zweite Werkstatt (lacht). Bis jetzt gelingt mir der Spagat ganz gut. Das liegt aber vor allem daran, dass wir nur spezielle Aufträge annehmen. Bei reiner Massenarbeit wäre das nicht möglich.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?

Die Kurzfassung sieht in etwa wie folgt aus und wiederholt sich an jedem Tag in der Woche:

8.00 Uhr: Kind zur Kita bringen
8.00 - 9.00 Uhr: Werkstatt aufräumen und alles vorbereiten
9.00 - 16.00 oder 17.00 Uhr: Drehen, Kundenaufträge, Film-Abnahmen
17.00 - 19.00 Uhr: Projektplanung und Meetings (die finden auch zwischendrin statt)
Zwischendurch: Mit den Hunden rausgehen, spielen und die Kinder bespaßen, essen und das Übliche.
Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei Deinen Projekten? Massivholz ist ein teures Gut geworden — vielen Baumarten geht es aufgrund des Klimawandels schlecht. Wie wirkt sich das auf den Beruf des Schreiners/Tischlers aus? Wird es in Zukunft kein Massivholz mehr geben? Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für Dich?

Nachhaltigkeit ist ein schwieriges Thema, ich habe es als Studienschwerpunkt gehabt und sehe viele Sachen kritisch. Das Wort wird sehr inflationär benutzt. Dennoch ist es wichtig, für sich selbst einen Weg mit der Natur zu definieren und diesem treu zu bleiben. Dabei sollte man aus meiner Sicht nicht dogmatisch, sondern eher projekt- oder themenspezifisch handeln. Ich bin mir sicher, dass Massivholz immer ein Thema sein wird. Es löst einfach sehr viel in Menschen aus.
Zuschnitt von Massivholz mit der TSC 55
Bleiben abgeschlossene Projekte bei Dir zuhause in Benutzung oder verkaufst Du sie?

Teils, teils. Glücklicherweise sind viele Projekte auch Aufträge für Kunden, Freunde oder auch für die eigene Familie.

Was war Dein Lieblingsprojekt bislang und warum?

Schwer zu sagen. Ich bin extrem selbstkritisch! Daher gibt es eigentlich nichts was ich gebaut habe, mit dem ich zu hundert Prozent zufrieden bin. Aber genau das treibt mich an und deshalb kann ich damit gut leben, kein eigenes Lieblingsprojekt zu haben.

Fertigst Du Möbelstücke auch auf Anfrage?

Wenn das Projekt für mich passt, liebend gerne!

Wie viel Zeit bleibt Dir in der Regel, um Dir ein Projekt auszudenken und umzusetzen?

Ich arbeite sehr schnell — daher bleibt mir meistens genug Zeit! Richtig definieren kann ich das leider nicht. Aber ein Team hinter mir zu haben macht vieles einfacher. Wir haben in der Regel nie echten Zeitdruck.
TSC 55 K mit KickBackStop
Domino Dübelfräse
Festool DOMINO Dübel
Anzeichnen der Schnittlinien
Hast Du manchmal Angst, dass eine Idee oder ein Beitrag nicht gut ankommt?

Nein, denn eins ist klar: Es gibt immer jemanden der dich und deine Arbeit blöd findet. Es hat fast nie etwas mit dem Projekt an sich zu tun.

Wie stehst Du zur Digitalisierung des Handwerks? Fluch oder Segen?

Aktuell gibt es viel Diskussionen und Zwist im Handwerk und die Digitalisierung ist oft eher hinderlich. Tradition und Zukunft stehen aus meiner Sicht sich gerade massiv im Weg. Dabei wäre es im Grunde genommen so einfach, das klassische Handwerk und Digitalisierung miteinander zu kombinieren. Ich sage nur: Shaper Origin.

Apropos Shaper Origin: Welche Rolle spielen digitale Planung und digitale Workflows bei Deiner Arbeit?

Tatsächlich gar keine. Ich plane in der Regel nichts. Weder auf Papier noch am Computer. Ich möchte mir und dem Möbel nicht die Freiheit nehmen, während des Prozesses zu wachsen und sich zu entwickeln.

Was erwartet uns von Dir in Zukunft? Wie willst Du Deinen Kanal weiterentwickeln?

Wir wollen allen Menschen den Spaß an der Arbeit zeigen. Egal ob auf Social Media oder im Fernsehen — wir sind präsent und wollen das massiv ausbauen. Wir fangen gerade erst an!

Danke für Deine Zeit, Jonas.